Schulversuch eröffnet 15 Schülern neue Perspektiven
Es klingt ein bisschen wie im Märchen: Schule abgebrochen ohne Abschluss, Probleme gewälzt, neue Schule, Herausforderungen angenommen, Klassenbeste und Qualifikation für einen höheren Schulabschluss. Für 15 Schülerinnen und Schüler aus dem Kreis Recklinghausen ist diese Geschichte am Herwig-Blankertz-Berufskolleg dank eines Schulversuchs mit besonderer Förderung Wirklichkeit geworden.
Schulleiter Dr. Rainer Podelschny gratulierte ihnen: „Sie haben Ihr Potenzial erkannt und mit dem erfolgreichen Abschluss auch unter Beweis gestellt. Jetzt sind Sie auf der Überholspur.“ Gemeinsam mit Bettina Weber, der zentralen Ansprechpartnerin an der Schule für den Schulversuch, hat er den Schülern die ‚Tickets‘ für den nächsten Schritt überreicht. Und der beginnt für die meisten mit dem ersten Schultag nach den Sommerferien.
Die Biografien der neun Schülerinnen und Schüler, die an diesem Morgen in dem Besprechungsraum der Berufskollegs versammelt sind, ähneln sich in einigen Punkten sehr. Die meisten haben in der neunten Klasse den Schulabschluss nicht geschafft. Am Herwig-Blankertz-Berufskolleg haben Louisa, Jannik, Sophia, Fabian, Milena, Loreley, Lili und Justin den Bildungsgang Ausbildungsvorbereitung oder die Berufsfachschule erfolgreich abgeschlossen – und zusätzlich die Berechtigung zum Besuch eines weiterführenden Bildungsgangs an einem Berufskolleg erhalten. Doch nicht nur das. Sie haben in ihren Klassen auch überdurchschnittlich gute Abschlüsse erzielt.
Louisa berichtet: „Ich hatte an meiner alten Schule Probleme, bin länger nicht im Unterricht gewesen. Als ich mich hier angemeldet habe, wusste ich, dass ich es kann. Aber ich hatte auch Bedenken, ob das alles klappt.“ Sie hat auf die Menschen vertraut, denen sie am Berufskolleg begegnet ist, und ist dafür belohnt worden: „Hier wurde ich als Mensch angenommen, nicht als Roboter betrachtet. Die Entscheidung für diesen Weg war der beste Schritt, den ich in den letzten Jahren gegangen bin.“
Ein Weg, der sehr schnell auf die Erfolgsspur führte. Louisa hat nicht nur den schulischen Alltag hervorragend gemeistert, sie wurde auch als Ruhrtalent ausgewählt. „Das ist schon etwas sehr Besonderes, dafür gibt es jedes Jahr viel mehr Bewerber als Stipendien, die vergeben werden können“, unterstreicht Rainer Podleschny die Bedeutung. Für Louisa bedeutet das, zusätzliche Workshops besuchen zu dürfen. Auch ein Auslandsjahr hat sich die Schülerin vorgenommen – und das große Ziel konkret vor Augen: „Der Schulabschluss mit Qualifikation für die gymnasiale Oberstufe war mir wichtig, denn ich möchte Tiermedizin studieren.“
Zwei Schülerinnen, die vor einem Jahr den Schulversuch erfolgreich abgeschlossen haben, waren an diesem Morgen ebenfalls als Gratulantinnen anwesend. Lisa und Zümra. Sie motivierten die Absolventen, den eingeschlagenen Weg beizubehalten. „Anstrengung gehört dazu, aber es lohnt sich“, sagt Lisa, „dazu gehört auch, dass man nur zu Hause bleibt, wenn es wirklich nicht geht.“ Als sie zum Herwig-Blankertz-Berufskolleg kam, hatte sie Schwierigkeiten mit dem Lernen: „Ich konnte mir die Sachen einfach nicht merken. Aber ich habe Tipps bekommen, wie ich das machen kann. Das setze ich heute noch um.“ Mit dem erfolgreichen Abschluss in der Tasche führt ihr Weg jetzt in die Ausbildung als medizinische Fachangestellte in der Unfallchirurgie, Zümra besucht zukünftig die Fachoberschule.Zümra, Klassenbeste in ihrer jetzigen Klasse, berichtete, wie sie mit Unterstützung von Lehrern und Sozialarbeitern gelernt hat, private Probleme außen vor zu lassen. „Das hat mir geholfen und eine große Last genommen.“ Für ihren Neuanfang ist sie für jeden Schultag von Dorsten mit dem Zug nach Recklinghausen gefahren. „Ich wollte einen neutralen Ort, um neu zu starten. Und dann hat uns Frau Weber angesprochen, dass es diesen Weg gibt, um schneller einen höheren Abschluss zu erreichen.“
Bettina Weber war in den zwei Jahren Schulversuch eine zentrale Ansprechpartnerin für die Schülerinnen und Schüler. „Ich bin so stolz auf die Schülerinnen und Schüler, weil sie ganz Großes geleistet haben. Und ich bin froh, dass ich das Teilprojekt des Schulversuchs entwickeln durfte und den Schülern die Chance bieten konnte, ihre Potenziale zu nutzen“, sagt die Lehrerin.
Dieses Gefühl hat sie den Teilnehmern auch jederzeit vermittelt, wie Lisa bestätigt: „Wir wussten, dass wir hier immer jemanden haben, der an uns glaubt. Die Lehrer sind hier nicht nur Lehrer, sie sind auch Ansprechpartner, wenn es Probleme gibt, und haben immer versucht, mit uns gemeinsam Lösungen zu finden.“